(Letzes Update: Wednesday, 21-Apr-2004 11:40:33 CEST )
Auch dieses Jahr sind allein in Süd-England wieder über 100 Formationen entstanden. Ihre Formen werden immer phantastischer und komplexer.
"Nichts." Andreas lässt das Nachtsichtgerät sinken. Einen Moment noch hält er inne und blickt in Richtung des Weizenfelds, als ob seine Augen die dunstige Finsternis doch besser durchdringen könnten, als sein Infrarot-Apparat. Über eine Drittelmeile lang erstreckt sich auf der linken Seite des Überlandsträsschens zwischen Alton Barnes und Pewsey ein riesiges Getreidefeld; das "East Field".
Jahr für Jahr sind hier Kornkreis-Formationen aufgetaucht, darunter einige der verblüffendsten und komplexesten überhaupt.
Kein Windhauch bewegt die taunassen Halme. Blau-silbern schimmert der Dunst über den Feldern im tiefstehenden Sichelmond. Unter den Schuhen knirscht der Schotter. Hustend zerreisst der anspringende Automotor die Stille. Leuchtenden Fingern gleich tasten sich die Scheinwerfer durch einige Nebelbänke voran weiter.
Suche in der Dämmerung
Zaghaft greift von Osten ein erster fahler Anflug von Morgengrauen in die Dunkelheit und mischt sich mit dem Mondlicht. Es ist empfindlich kühl. Die Fahrt geht nun in Richtung des Städtchens Devizes. Schemenhaft ist auf der linken Seite der Silbury Hill erkennbar. Ein gewaltiger, vor Jahrtausenden künstlich geschaffener, fast 40 Meter hoher Erdhügel. Das kegelförmige Bauwerk mit abgeflachter Spitze gilt als die grösste Pyramide Europas.
Kornkreise in den umliegenden Feldern wären von der Erdpyramide aus hervorragend einsehbar. Dessen Besteigung ist dieses Jahr allerdings verboten:
Ende Mai kletterte ein amerikanisches Paar auf den Hügel. Oben angekommen stieß es auf ein großes, scheinbar bodenloses Loch in der Mitte der abgeplatteten Spitze. Sie amüsierten sich über die wohl englische Eigenheit, ein solch gefährliches Loch auf der Spitze eines National-Monumentes ohne Absperrung offenzulassen.
Nach Bekanntwerden dieser Tatsache kümmerte sich die englische Denkmalschutzbehörde auf ihre Weise darum: seither steht jeweils nach Einbruch der Dunkelheit ein gelbes Auto mit 2 "Wachleuten" am Fuße des Hügels. Zeitungslesend und rauchend warten sie die Morgendämmerung ab um dann nach Hause ins Bett gehen zu können.
Die kleine Gruppe der "nightwatchers", wie fast jeden Morgen seit drei Uhr auf den Beinen, beschliesst, den Silbury Hill für diesmal ausnahmsweise "links liegen" zu lassen.
Auch auf der weiteren Runde keine neuen Entdeckungen mehr. Die Gruppe beschließt, auf den Campingplatz zurückzukehren, völlig ermattet, mit dem einzigen Wunsch nach ein wenig Schlaf.
Doch daraus wird nichts. 7.00 Uhr, das Handy klingelt und Farmer John ruft an: soeben hat er auf seinem Feld, genau gegenüber des Silbury Hills eine neue, große Formation entdeckt!
15 Minuten später stehen die "Croppies" zusammen mit dem Farmer
als erste in der Formation.
Der Pentagon-Stern
Die vor ihnnen liegende Formation lag am Vortag noch nicht im Getreide, darüber sind sich alle einig. Morgen für Morgen haben sie die Felder um den Silbury Hill abgesucht.
Der neueste Kornkreis ist entdeckt! Wieder ist es passiert. Und wieder über Nacht. Dieses Etwas, diese Figur hebt sich gegen den heller werdenden Tag ab, als ob sie schon immer da gelegen hätte, einem Stempel gleich, der zu dieser Landschaft gehört.
Die Gruppe beginnt, im Kreis erste Untersuchungen und Vermessungen vorzunehmen. Die Form wird langsam klar: innerhalb eines Kreises von liegendem Getreide sind lauter Dreiecke stehenden Getreides angeordnet. Ingesamt bildeten sie sechs 5-zackige Sterne. Diese miteinander verbunden hatten die Form eines Pentagons (5-Eck).
Die niedergelegten Halme umflossen die Sterne in einem großen Außenkreis. Die Zentren der Kreise zwischen den Sternen ragten als kunstvoll verflochtene 3D-Gebilde in den Raum.
Die volle Schönheit der Formation jedoch wird erst später aus der Luft erkennbar.
Direkt anschließend begibt sich die Gruppe zum Flugfeld von Clench Common.
Der kleine Motor heult auf. Nach kaum 100 Meter holperiger Graspiste ist das Ultra-Leicht-Flugzeug in der Luft. Steil zieht Pilot Graham Slater die Maschine in den fast windstillen, strahlend blauen Morgenhimmel. Unter dem kleinen Fluggerät breitet sich die für England noch typische, erstaunlich intakte, mit großen Feldern durchsetzte Heckenlandschaft aus.
Südlich am kleinen Städchen Marlborough vorbei, wo Merlins Grab gelegen ist, geht der Flug direkt in Richtung Silbury Hill. Schon bald ist dieser in Sichtweite, und links daneben der neue Kornkreis. Was sich am Boden bereits erahnen ließ wird aus der Vogelperspektive zur Gewissheit: nicht nur die Umrisse der Figur wirken absolut präzis und geometrisch perfekt.
Gerade aus dieser Perspektive fällt jedoch eine Besonderheit auf: einem Stern fehlt eine Zacke. Sie steht an anderer Stelle und wirkt somit wie abgebrochen.
Auch die Ausrichtung des niedergelegten Getreides ist klar erkennbar. Weil dieses- je nach Lage - in unterschiedlicher Schattierung in der Morgensonne glänzt, verleiht es der Formation ein verblüffend dreidimensionales Wirkung. Als ob unter dem Flugzeug ein immenses, goldenes Schmuckstück liegt.
Im Bardge Inn, dem legendären Croppie-Treff am Campingplatz in
Alton Barnes, hat die Meldung bereits die Runde gemacht. In kürzester
Zeit wird die Formation Anziehungspunkt aller Kornkreis-Suchenden .
In den Kreisen sind alle Menschen gleich
Mögen die Motive der einzelnen auch verschieden sein, so leisten die Kornkreise auf jeden Fall etwas ganz grundsätzlich Positives: sie vereinen Menschen unterschiedlichster Nationen und Wissensbereiche. Wie sonst bekommt man derart verschiedene Menschen an ein und denselben Tisch? Vom Design-Studenten, der seit Jahren minutiös jede Formation dokumentiert, über diein die Jahre gekommende Hippie-Frau, die für Gaia, die Erdmutter singt und trommelt, das Medium, das in Kontakt mit dem Universum steht, den zerstreuten Chemiker, der Getreideproben sammelt bis hin zur Hollywood-Schauspielerin, der eine Formation so gut gefällt, daß sie sie als Collier anfertigen lassen möchte... in Süd-England treffen sie sich alle.
Seit dem Auftauchen der "ersten" Kornkreise in den 80-er Jahren sind weltweit viele Menschen der Faszination dieser geheimnissvollen Zeichen im Korn erlegen.
Für einige ist die Beschäftigung damit sogar zum Lebensinhalt geworden.
So auch für Michael Glickmann, dem Professor der Architektur und visionärem Vor-Denker, der aus den USA zurückkehrte, um sich voll und ganz dem Studium der Kornkreise-Geometrie zu widmen:
"Das Kornkreis-Phänomen wird immer und auffälliger und nachhaltig beeindruckend. Es zeigt uns, daß wir bereit sein müssen für eine radikale Umstrukturierung unserer Weltsicht. Wie Kinder jedoch weigern wir uns, und haben Angst weil unsere altbekannte Kinderstube umgeräumt werden soll und wollen am liebsten, daß alles bleibt wie es war.
Aber es ist bereits zu spät.
Wir suchen nun nach Erklärungen statt nach Erkenntnis. Wir suchen nach Halt in der Wissenschaft, obwohl gerade diese uns in der Vergangenheit oft Unheil gebracht hat.
Alles in allem aber weigern wir uns, unserem Herzen zu folgen und auf unser innerstes Wissen um die Dinge zu vertrauen. Gerade diese Fähigkeiten jedoch benötigen wir, um zu verstehen."
Treffender kann man die Situation kaum beschreiben...
Auch dieses Jahr sind wieder über hundert Formationen entstanden. Erst in den letzten Wochen wieder einige gigantisch schöne, hochkomplexe Formation, wie die am Woodborouggh Hill. Und ein Ende ist noch nicht absehbar.
Auch wenn viele Interpretationsansätze und Erklärungsversuche aufgetaucht sind, ist keiner wirklich in der Lage, das Mysterium um diese Kunstwerke in der Landschaft aufzuklären oder begreifbar zu machen. Vielen, die einmal so ein präzise ausgearbeitetes, vollkommenes Gebilde gesehen haben, fällt es schwer, sich der vielfach verbreiteten Meinung anzuschließen, daß ja alles nur "manmade Hoaxes", "Fälschungen" sind. -Wie soll das jemand gemacht haben? - Die Faszination ist ungebrochen...
Für alle, die nun mehr darüber wissen möchten, gibt es zwei brandneue Werke auf dem Markt.
Das eine ist Michael Glickmans kleines s/w-Büchlein "Crop Circles", welches momentan leider nur auf englisch erhältlich ist:
Michael Glickman: Corn Circles.
Walkmill: Wooden Books 1996.
ISBN: 0-9525862-5-8
(Die zweite Auflage ist unter dem Titel "Crop Circles" erschienen).
Spannende Artikel und faszinierende Bilder bietet das Buch
Werner Anderhub und Hans Peter Roth: "Das Geheimnis der Kornkreise"
Aarau, Schweiz: AT-Verlag 2000
ISBN 3-85502-694-7.
(Die erste Auflage dieses Buches war innerhalb weniger Wochen nach Erscheinen vergriffen. Noch jetzt steht es auf Platz 1 der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste.)
Das Schweizer Buch ist außerdem zu beziehen über
Catfish Company, Stuttgart
zum Preis von DM 48,- zzgl. Versandkosten.
Tel.: 0711-657 32 55
Fax : 0711-22 00 687
e-mail: kbcatfish@aol.com.