Fünf "historische" Kornkreise

von Ulrich Magin

Der Kornkreis des Gilgamesch

Die älteste Erwähnung eines Kornkreises findet sich - folgt man einer Idee des Amerikaners Michael T. Shoemaker - im babylonischen Gilgamesch-Epos.

König Gilgamesch war sehr wahrscheinlich eine historische Figur, der König der sumerischen Doppelstadt Uruk-Kullab, dessen Leben in die "frühdynastische Epoche" fällt, also in die Zeit von 2750-2350 v. Chr. Das ist die Zeit, in der die großen Pyramiden von Gizeh errichtet wurden, der Steinkreis von Avebury, Silbury Hill und Newgrange in Irland. Zahlreiche Sagen wurden von der beeindruckenden Herrschergestalt erzählt, die zuerst nur lose und ohne inneren Zusammenhang aufgeschrieben wurden. Etwa gegen Ende des 2. Jahrtausends vor Christus wurden diese Sagen in eine zusammenhängende epische Form mit festgesetzter Abfolge gebracht; diese kanonische Form nennt man das "Zwölftafel-Epos", weil es zwölf Tontafeln umfasst. Das Gilgamesch-Epos war im ganzen Vorderen Orient verbreitet. Die ersten einzelnen Episoden wurden bereits von den Sumerern aufgezeichnet, diese sechs unabhängigen Sagen wurden später zu einem "altbabylonischen Gilgamesch-Zyklus" zusammengefasst, schließlich erstellte dann um 1200 v. Chr. ein namentlich nicht bekannter Dichter die endgültige "Zwölftafel-Version", die dann in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Einzelne Gilgamesch-Geschichten in hurritischer und hethitischer Sprache, allesamt Vorstufen zum Zwölftafel-Epos, sind im Einflussbereich der Hethiter entdeckt worden, hierbei sind einheimische Einflüsse in den Text eingeflossen.

Das Gilgamesch-Epos ist großartige Literatur und heute noch ergreifend zu lesen (um seinen Freund Enkidu vom Totenreich wiederzuholen, unternimmt Gilgamesch eine gewaltige Reise, trifft auf den unsterblich gewordenen Menschen, der die Sintflut überlebt hat, lernt das Geheimnis der Unsterblichkeit, ist aber zu schwach, es zu behüten).

In der vierten Tafel des Standardtextes erklimmen Gilgamesch und Enkidu den Zedernberg, wo sie das Ungeheuer Humbaba töten wollen. "In drei Abschnitten steigen sie, durch drei Träume ermutigt, den Berg hinan. Oben angelangt, fällen sie die heilige Zeder. Vom Sonnengott Samas unterstützt, der ihnen acht große Winde zu Hilfe schickt, überwältigen sie den zornig herbeigeeilten Humbaba und töten ihn." (Kindler, Band 10, S. 3951)

Shoemaker bemerkt nun, dass auf der vierten Tafel, erste Spalte, der Babylonischen Standardversion (nach Dalley, S. 67) Gilgamesch auf dem Berg ein Ritual durchführt, das ihm einen guten Traum verschaffen soll: "A dust-devil passed by, and he/it fixed (?) [ ]. He made him lie down inside the Circle and [ ]...[ ] like wild barley [ ]" (Shoemaker, S. 2).

Michael T. Shoemaker kommentiert:
"Das Zusammentreffen von Wirbelwind, Kreis und Gerste ist sicherlich verlockend, obwohl der Kreis natürlich ein magischer Kreis gewesen sein könnte, der auf den Boden gezeichnet war." Leider finden sich die betreffenden Zeilen nicht in der deutschen Übersetzung, die mir vorliegt (Papke), und die aus Fragmenten der altbabylonischen, babylonischen, akkadischen, assyrischen und hethitischen Tafeln zusammengesetzt ist. Allerdings ist die dortige Übersetzung der ersten Spalte der vierten Tafel, die beschreibt, wie Gilgamesch um einen guten Traum bittet, sehr aufschlußreich: "Auf den Berg stieg Gilgamesch und Brachte dar ein Mehlopfer ...Berg, bring mir einen Traum mit einer guten Nachricht! ›Der Berg brachte tatsächlich einen Traum.[...] [...] O Freund, ich hatte nämlich einen dritten Traum. Und dieser Traum war ganz entsetzlich. Der Himmel schrie, die Erde dröhnte, das Licht erlosch, und finster war es um mich her. Ein Blitz zuckt‹ auf, empor die Flamme loderte, ... die Wolken quollen mächtig: Tod regnete herab! Die Rotglut schwand, erloschen war das Feuer. Alles, was herabgefallen, war zu Asche nun geworden‹" (Papke, S. 334).

Das heisst, auf ein magisches Ritual, das von einem meteorologischen Phänomen begleitet wird, folgt ein Traum, dessen Inhalt meteorologische Vorgänge sind. Seit alters her schützt sich der Magier durch einen Kreis, den er um sich zieht, vermutlich wird der im Epos erwähnte Kreis solch eine magische Abwehr gewesen sein. Ich halte diese Zusammenhänge für stichhaltiger als eine wie auch immer geartete Verbindung mit dem modernen Kornkreisphänomen.

Kornkreise in Qumran?

Kaum ein anderer archäologischer Fund dieses Jahrhunderts hat einen solchen Rattenschwanz spekulativer Bücher nach sich gezogen, wie die Entdeckung alter jüdischer Schriften in den Höhlen am Toten Meer bei Qumran. In einem dieser spekulativen und von der Wissenschaft längst widerlegten Machwerke (vgl. dazu Stegemann und Betz/Riesner) findet sich nun die Übersetzung eines Fragments einer Noah-Apokryphe (4Q534-536), die - so Bob Kingsley in seinem Internet-Artikel "The Earliest Crop Circle?" - auch einen Verweis auf Kornkreise und Entführungen durch Außerirdische enthält. "4. Die Geburt des Noah (4Q534-536) ... Fragment 3, Spalte 1 (1) ... von der Hand, zwei ... es ließ ein Zeichen zurück von ... (2) ... Gerste [und] Linsen auf ... (3) und winzige Zeichen an seinen Oberschenkeln ... [Nach zwei Jahren wird er ein Ding vom anderen unterscheiden können." (Eisenman und Wise, S. 43).

Kingsley, der einmal die Kornkreiszeitschrift "The Circular" herausgegeben hat, liest sehr viel in diese Passage: "Es sprang mir sofort ins Auge, dass dieses Pergament möglicherweise einen Noah beschreibt, der eine Nahe Begegnung der Vierten Art mit einem UFO erlebt hat. [...] In vielen klassischen CE-4 [d.i.: Entführungen durch Außerirdische] berichten die Entführten von kleinen Malen an ihren Gliedmaßen oder an ihrem Torso. [...]. Die folgenden Passagen des Noah-Dokuments scheinen sowohl in ufologischer wie cerealogischen Hinsicht höchst bedeutsam. Vielleicht (wenn wir etwas frei interpretieren) lautete der Text ursprünglich etwa so: "es ließ Zeichen zurück von (OBEN IN DER) Gerste und in den Linsen (AM BODEN), und winzige Zeichen an seinen Oberschenkeln ...".

Ausdrücklich werden beide Markierungen in einen Zusammenhang gebracht, durch den Gebrauch des Wortes "und". Sie waren beide sichtbare Auswirkungen einer einzigen Ursache - und vernünftigerweise müssen wir annehmen, dass dieser verursachende Mechanismus etwas mit Noahs Erleuchtung zu tun hatte. Kurioserweise merkt Kingsley an, dass im gesamten Alten Testament das Wort Hüfte nur ein einziges anderes Mal vorkäme, im Zusammenhang mit Abraham, und er hält eine Interpretationen im Sinne von Erich von Däniken oder Zechariah Sitchin für wahrscheinlich. Eher als Kornkreise, UFOs und prähistorische Astronauten aber assoziiert der kundige Leser zu diesem Text doch eine andere Erzählung der Genesis, nämlich die Geschichte von Jakob, dessen Hüfte im Kampf mit einem Engel gelähmt wird (Genesis 32: 22-29). Darauf spielt der Noah-Text sicherlich an. Ähnlich wie das Zitat aus dem Gilgamesch-Epos, das Michael T. Shoemaker sehr vorsichtig als Kandidaten für den ersten Kornkreis vorschlug, erfordert auch der "Kreis von Qumran" mehr Spekulation als Sicherheit. Die Interpretation als UFO-Entführung mit Landespuren geht dabei weit über eine verantwortungsvolle Thesenbildung hinaus, und interne Bezüge zu anderen Erwähnungen von Linsen oder Hüftmalen in der Genesis erscheinen vielversprechender als eine modern übergestülpte und von den Fakten nicht getragene Deutung. Um das deutlich zu machen, sei hier noch eine andere Übertragung des Fragments zitiert, diesmal aus einer wissenschaftlichen Publikation.

Hier wird erst festgestellt: "Es gibt aber keinen vernünftigen Grund, den Text als Teil eines Buchs Noah zu betrachten", dann folgt die Übersetzung des Textes, der hier als Beschreibung des kommenden Messias gelesen wird:"[...] an der Hand zwei [Narben ...] eine Narbe. Rot wird sein Haar sein und Leberflecke werden auf [...] und kleine Narben auf seinen Oberschenkeln, und sie werden sich voneinander unterscheiden." (Wise et. al., S. 444). Es ist fast unmöglich, Texte, die so fragmentarisch sind wie die von Qumran, definitiv zu übersetzen. Eine von vielen möglichen Versionen dann als einen Hinweis auf Kornkreise zu deuten, ist grob fahrlässig. Schon in der zweiten Übersetzungsvariante (beide wurden von dem Qumranforscher Wise angefertigt) ist nicht einmal von Gerste und Linsen die Rede!

Der erste Kornkreis - in Holland?

Den "drittältesten" Kornkreis kenne ich nur aus einer kurzen Notiz in einem der vielen oberflächlich zusammengestellten Bücher der englischen UFO-Autorin Jenny Randles: "The earliest known crop circle traced in the historical records occured in a field near Assen in Holland in the year 1590." (Randles & Hough, S. 29) Eine Anfrage bei der FGK sowie eine Suche im Internet ergaben, dass keine weiteren Unterlagen zu dem Fall vorliegen. Die Notiz muss daher erst einmal so stehen, bis weitere Einzelheiten bekannt werden.

Der "Mowing Devil"

Der bekannteste "vorgeschichtliche" Kornkreis wird auf der Flugschrift vom Mowing Devil vorgestellt. Der Druck zeigt auf einem Holzschnitt einen schwarzen Teufel mit Sense, der zwei Kreise ins Korn gemäht hat und trägt den barocken Titel: "Der Mähende Teufel: Oder, Eigentümliche Nachrichten aus Hartfortshire".

Das ist ein wahrhafter Bericht über einen Bauern, der mit einem armen Mäher über den Preis des Mähens von drei halben Morgen Hafer feilschte: Als der Mäher zu viel Geld verlangte, fluchte der Bauer, lieber solle der Teufel den Hafer mähen als jener. Und so geschah es, dass noch in der gleichen Nacht das Feld wie in Flammen stand; und am nächsten Morgen war es vom Teufel oder einem Geist der Hölle so exakt gemäht wie es nie ein Sterblicher hätte bewerkstelligen können. Und wie jener Hafer nun noch auf dem Feld liegen und der Bauer sie trotz aller Mühen nicht ernten kann. Genehmigt am 22. August 1678." Hier fällt dem modernen Leser vor allem auf, dass der ausführliche Titel gerade nicht auf das eingeht, was an dem Ereignis am interessantesten scheint: auf den Kornkreis nämlich. Zudem war das Getreide nicht wie bei Kornkreisen umgelegt, sondern abgeschnitten, worauf Bob Skinner hingewiesen hat. Der eigentliche, ebenso umständlich verfasste Text des Einblattdrucks kann bei Schnabel (S. 128-130) nachgelesen werden.

Es gibt aber eine ausführliche Zusammenfassung aus dem letzten Jahrhundert (Evans 1898): "Ein geschäftstüchtiger, reicher Bauer besaß etwa drei halbe Morgen Hafer. Er ließ einen Nachbarn kommen, der den Hafer mähen sollte. Der arme Mann wollte einen guten Preis für seine Arbeit haben. Böse Worte wurden gesprochen, und letztendlich sagte der verärgerte Bauer mit festem Blick und einer hastigen Geste zu dem armen Mann, 'dass lieber der Teufel selbst den Hafer schneiden solle als dass er mit dem armen Mann Geschäfte mache'. Die Folgen dieses vorschnellen Urteils werden dann folgendermaßen beschrieben: ›Wir wollen nicht die Ursache ergründen, aber wir sind uns doch sicher, dass, wie der verlässlichste Bericht besagt, noch in der gleichen Nacht, in der sich der arme Mäher und der Bauer trennten, verschiedene Leute das Haferfeld in Flammen stehend sahen. Das dauerte eine geraume Zeit und verblüffte alle, die es sahen. Die rare Nachricht wurde dem Bauer am nächsten Morgen von einigen Leuten zugetragen. Er wurde sehr neugierig und ging hin, um nachzusehen. Bei seinem Haferfeld sah er zu seiner Verblüffung, dass das Getreide bereits geschnitten war; und als ob der Teufel seine Verschlagenheit hätte zeigen wollen, hatte er es nicht in der üblichen Weise gemäht, sondern in Kreisen, und jeden Strohhalm legte er mit solch einer Genauigkeit, dass es für Sterbliche ein Menschenalter gedauert hätte, was er in einer Nacht vollbracht ebenso zu bewerkstelligen. Der Mann, dem der Hafer gehört, ist zu ängstlich, ihn zur Tenne zu holen. Erneut ist im laufenden Text der Kreis nicht das eigentliche Teufelswerk; wohl ist er "verschlagen", nicht aber dämonisch.

Der Gesamttext umfasst drei Druckseiten, nur in einem Nebensatz werden die "round circles" überhaupt angesprochen. Woher diese Zurückhaltung des Pamphletisten, die bisher keinem Kommentator aufgefallen ist? Nigel Pennick hat darauf hingewiesen, dass das Mähen von Getreide in Kreisform die im Mittelalter übliche Art der Ernte gewesen ist, die erst in der beginnenden Neuzeit vom heute praktizierten Reihenmähen abgelöst wurde. Pennick bezog sich auf einen Artikel von Heinrich Winter in der nationalsozialistischen Zeitschrift "Germanien", der das damals in einigen gebirgigen Gegenden Deutschlands noch übliche Radmähen beschrieb: "Bei dieser Mähart schreitet der Bauer mit seiner Sense [...] hinein in den Fruchtacker und beginnt mit dem Mähen in der Mitte, indem er in immer größeren Linkskreisen die Halme umlegt. Dadurch bilden die umgelegten Halme eine Wendeline [= Spirale], die der Bauer Rad, Schnecke, Pfannkuchen usw. nennt. [...] Im Taunus [wird] das Radmähen [...] 'Wirbel' genannt. [...] Wenn man heute den Bauern fragt, warum er in Radform mäht, bekommt man meist zur Antwort, dass diese Arbeitsweise ihm größere Vorteile brächte. Er braucht keinen leeren Rückweg wie beim Reihenmähen zu machen." (Winter, S. 291, 292)

Das Flugblatt zeigt also sehr wahrscheinlich nur, wie damals die armen Leute mit kargen Äckern Getreide mähten - das heisst, bevor die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft im 17. Jahrhundert die alten Traditionen abschaffte. Vorschnell habe ich in einem früheren Artikel den Mäher zu einem Revolutionär gegen den Puritanismus gemacht, der gegen den neuen Zeitgeist (Kapitalismus, Großgrundbesitz) rebelliert ("katholische" Mähmethode), und der daher dämonisiert wurde. Diese Deutung war wohl vorschnell und geht zu weit, sicher ist jedoch, dass der "mähende Teufel" perfekt den Konflikt zwischen den traditionellen Landwirten und den von Puritanismus beflügelten frühkapitalistischen Großgrundbesitzern beschreibt, und das wiederum in den zu dieser Zeit üblichen moralinsauren Vorstellungen der Puritaner: Sünden wie Geiz und fehlende Solidarität werden sofort bestraft, und wer den Teufel anruft, der lockt ihn damit auch an.

Es muss ausdrücklich betont werden, dass es - wie bei den meisten Flugschriften über Mirakel aus dieser Zeit - keinen Grund gibt, das Pamphlet für einen echten Augenzeugenbericht zu halten; es war vielmehr üblich, die Wunder so zu erfinden, dass sie gleichermaßen sensationell waren wie auch die Bedürfnisse der Leserschaft erfüllten (dazu Noyes, S. 78-79).

Wie Bob Rickard in seiner kenntnisreichen Analyse des "mähenden Teufels" schreibt: "Es bedarf keines Fachmannes der Sozialgeschichte oder der Ethnologie, um zu bemerken, dass hinter dem Fall [...] ein Disput zwischen einem reichen Großbauern und seinem armen Nachbarn steckte. [...] Aber im 17. Jahrhundert gab es keine [Gewerkschaften und Revolutionsbewegungen], es sei denn, Gott oder der Teufel griffen ein. Die Pamphletisten dieser Epoche liefen besonders dann zu Hochleistungen auf, wenn sie das Wunschdenken-Thema der Vergeltung durch übernatürliche Kräfte ausschlachten konnten, um gegen die lasterhaften und geizigen priviligierten Klassen zu Felde zu ziehen." (in Noyes, S. 80)Tatsächlich ist es, wie der Historiker Paul Newmann (1999) deutlich macht, nicht statthaft, übernatürliche Episoden aus Chroniken und Einblattdrucken des Mittelalters und der frühen Neuzeit wie Tatsachenberichte zu analysieren. Die Geschichten sind traditionellen Erzählmustern verpflichtet und werden berichtet, um bestimmte soziale Kontrollen zu bestärken: "Weitverbreitet sind die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass das Mittelalter wie eine moderne Bedienungsanleitung ›gelesen‹ wird. [...] Die Quelle wird aus dem Kontext gerissen, sie wird als eigenständige Wundergeschichte gelesen, nicht als Teil einer Sammlung, die mit einer bestimmten Absicht zusammengestellt wurde.

Nur wenige Autoren sind ehrlich genug, darauf hinzuweisen, dass diese Geschichten keine Reportagen sind, sondern kunstvoll zusammengestellte ›Fiktionen‹, die wirkliche Namen, Halbwahrheiten und Elemente älterer Legenden kombinieren. [...] Die Geschichten wurden von den alten Autoren so schamlos ausgenutzt wie es noch heute die Schreiber in Boulevardzeitungen tun. "Um es zusammenzufassen: Die Flugschrift vom mähenden Teufel beschreibt keinen Kornkreis. Die Details weichen ab (abgeschnitten statt plattgedrückt), es gibt keinen Beleg dafür, dass es sich nicht um eine Erfindung handelt, die Geschichte wird nicht als Reportage erzählt, sondern als Gleichnis über soziale Gerechtigkeit, schließlich entspricht das Mähen in Kreisen der Vorgehensweise der armen Bauern damals. Der "mähende Teufel" wird nur dadurch zum Vorläufer moderner Phänomene, weil wir Zeitumstände und Weltbild der Menschen, für die die Darstellung gedacht war, vollständig ignorieren.

Kanada

Den "vorgeschichtlichen" Kornkreis in Kanada, den fünften im Bunde, hat John Michell in einem Buch über die Algonkin (Michell 1992, S. 164-167; er zitiert nach D. Mackenzie 1969) beschrieben. Dr. Johannes Fiebag (1993, 1995) hat eine Version in einem Werk über die Ojibwa ausfindig gemacht und in Deutschland in mehreren Beiträgen popularisiert. Es handelt sich hier nicht um zwei verschiedene Völker, die Ojibwa gehören zu den Algonkin-sprechenden Indianern. (Lévi-Strauss, III, S. 215)

Die Sage setze ich aufgrund ihrer großen Popularität als bekannt voraus. Ich habe den Verdacht, dass dieser "erste kanadische Kornkreis" - wie die anderen Beispiele - mehr mit dem Wunsch zu tun hat, Vorläufer für das moderne Kornkreisphänomen zu finden, als dass sich eine solche Deutung aufdrängt.

Sehen wir uns die betreffenden Stellen an: Ein Jäger entdeckt "einen kreisrunden Bereich niedergedrückten Grases". "Er fand das rätselhaft, weil es keinerlei Spuren gab, die durch das hohe Gras hindurch zu dem niedergedrückten Flecken führten; so legte er sich ins Gras und wartete ab, was passieren würde". (Algonkin-Indianer; nach Fiebag 1993, S. 18) Hier ist wohl eher daran zu denken, dass der Jäger die Stelle für die Spur eines sich im Grase wälzenden Tieres hielt, deshalb verblüffte ihn, dass er keinen Zu- und Abgang fand, nirgends wird an einen Kornkreis erinnert, der sicher - falls authentisch - ja viel mehr Anomalien hätte aufweisen müssen wie nur niedergedrücktes Gras.

Bei den Ojibwa findet der Jäger eine kreisförmige Spur in einer Lichtung, die "von kleinen Mokassins herrührte" ... "Er folgte den Fußspuren und kam nach einer Weile wieder an dieselbe Stelle zurück. Er hatte die Lichtung rundherum in einem Kreis umrundet. Dieser Pfad war ein Kreis. Es war ein Pfad ohne Ende. In der Mitte des Kreises waren Blumen und Gräser niedergedrückt, und die Erde hatte eine Vertiefung. Staunend untersuchte Eshkebug die große flache Mulde." Auch er glaubt, hier habe ein großes Tier geschlafen. Allzu ordentlich kann der niedergedrückte Kreis also nicht gewesen sein. (Fiebag 1993, S. 18)

In beiden Versionen der Sagen landen später Schiffe "aus dem Himmel", Himmelsmädchen tanzen um das Schiff, daher Kreis und der Ring. Der Held nimmt sich eine Frau aus dem Schiff, später baut er selbst ein Himmelsschiff und besucht den Mond, wo das Volk seiner Frau wohnt.

Tatächlich zeigt eine bereits oberflächliche Studie der relevanten Literatur, dass die von Michell und Fiebag angeführten Sagen aus Motiven bestehen, die auch in anderen Mythen der Indianer eine wichtige Rolle spielen: So heiratet Frau Mond häufig einen Indianer, den sie zuvor gefangen nimmt; später lässt sie ihn an einer Kette wieder auf die Erde zurück (Lévi-Strauss, III, S. 436, 437); in einer anderen Sage erkennen zwei Brüder, dass sie es mit der Hütte eines übernatürlichen Wesens zu tun haben, weil keine Spuren zu ihr führen. Später reisen sie von dort, von einem Wirbelwind hochgetragen, in den Himmel (Lévi-Strauss, III, S. 465). Diese Sagen vom Besuch des Himmels haben ihre Grundlage in der Trance des Schamanen, und mit diesen Motiven arbeitet auch die Mythe vom Himmelsschiff.

Es fällt zudem schwer, wie Fiebag impliziert, in den beschriebenen Grasspuren "eine klassische Ringstruktur mit Innenkreis" zu erkennen. Heutige Kornkreise sind eben nicht niedergetrampelt von kleinen Füßen (sonst hätte sie nie jemand für geheimnisvoll gehalten), sie gleichen auch nicht einer Mulde, in der sich ein großes Tier gewälzt hat. Um Mulde und Kreis (der die gesamte Lichtung umlief, also doch recht groß gewesen sein muss) als Kornkreis anzusprechen, muss eine mythologische Beschreibung, zu deren Deutung man viel mehr über die Absicht wissen müsste, mit der sie erzählt wurde, in das Korsett eines vorgefertigten Konzepts gezwungen werden.

Literatur:

BETZ, Prof. Otto und RIESNER, Prof. Rainer: Verschwörung um Qumran? Rastatt: Moewig 1999

DALLEY, Stephanie: Myths from Mesopotamia. Oxford University Press 1991, reprint 1992

EISENMAN, Prof. Robert und WISE, Prof. Michael: Jesus und die Urchristen. Bertelsmann: München 1993

EVANS, Lewis: Witchcraft in Hertfortshire. in: Andrews, William, Hrsg.: Bygone Hertfordshire, 1898, S. 214-217 (zitiert nach Skinner)

FIEBAG, Dr. Johannes: Historische Kornkreise in Kanada. Zusammenhänge zwischen dem Kornkreis- und dem UFO-Phänomen. FGK-Report, 3/1993, S. 18-22

FIEBAG, Dr. Johannes: Historische Kornkreise in Kanada. Ancient Skies

FIEBAG, Dr. Johannes: Historische Kornkreise in Kanada. in: Erich von Däniken, Hrsg.: Fremde aus dem All. Goldmann, München 1995, S. 187-193,342

JOHNSTON, B.: Und Manitu erschuf die Welt - Mythen und Visionen der Ojibwa. München 1984

KINDLERS Literaturlexikon. dtv: München 1974

KINGSLEY, Bob: The Earliest Crop Circle? http://cropcircleconnector.com/column/deadsea.html

LEVI-STRAUSS, Claude: Mythologica. Band I bis IV. Frankfurt: Suhrkamp 1976

MACKENZIE, D.: Myth of pre-Columbian America. New York 1969

MAGIN, Ulrich: Der mähende Teufel. Jufof 89, 5/1993, S. 144-145

MICHELL, John: Die Legenden schweigen. in J. Krönig (Hrsg.): Spuren im Korn, Frankfurt 1992, S. 164-167

MÖSSINGER, Friedrich: Haferrad und Trojaburg. Germanien, 1938, S. 90-91

NEWMAN, Paul: Sociology of the Lost Soul - Ghosts during the Middle Ages. 3rd Stone, Nr. 35, 1999, S. 19-23

NOYES, Ralph, Hrsg.: Die Kreise im Korn. München: Heyne 1991

PAPKE, Werner: Die geheime Botschaft des Gilgamesch. Bastei Lübbe: Bergisch Gladbach 1994

PENNICK, Nigel: The Mower's Swath. Fortean Times 54, 1990, S. 78

RANDLES, Jenny & HOUGH, Peter: Encyclopedia of the Unexplained. Michael O'Mara: London 1995

RICKARD, Bob: Clutching at Straws - Whirls, Winds, Witches and Fairies. Fortean Times 53, 1989, S. 58-69 (deutsche Version in Noyes, Hrsg.)

SCHNABEL, Jim: Round in Circles. London: Penguin 1993

SHOEMAKER, Michael T.: Leserbrief. Strange 11, S. 2

SKINNER, Bob: The Mowing Devil. Fortean Times 53, 1989, S. 38-39

STEGEMANN, Hartmut: Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Freiburg: Herder 1998

WINTER, Heinrich: Radmähen. Germanien, 1940, S. 291-296

WISE, Michael, ABEGG, Martin und COOK, Edward: Die Schriftrollen von Qumran. Augsburg: Pattloch 1997


[aus FGK-Report 3/1999]