von Harald Hoos
Die UFO-Szene war 1995 in Aufruhr: Die Tatsache, daß es einen Film gibt, der angeblich
die Autopsie eines Außerirdischen zeigt, hat im Frühjahr letzten Jahres
eingeschlagen wie eine Granate. Als der Film dann auch noch im Sommer öffentlich
zugänglich wurde, war die Sensation perfekt. Alle Arten von Zeitungen, Zeitschriften
und Magazinen berichteten. Das Thema UFO's rückte dadurch sehr schnell bei den Medien
wieder in den Vordergrund. Wenn ich an die unzähligen UFO-Sendungen und
Kurzberichterstattungen auf den Privatsendern in diesem Herbst denke, stehen mir jetzt
noch die Haare zu Berge. Unglaublich, was für eine Sch.... (Entschuldigung!) da in
den Äther ging. Keine einzige Sendung war dabei, von der man behaupten könnte,
daß wirklich ein Fachkundiger anwesend war und daß das Thema sachlich
erörtert wurde. Doch ich möchte mich jetzt hier nicht über UFO's allgemein
auslassen, sondern ein paar Hintergründe zur Roswell-Autopsie aufzeigen.
Kurz: Die Katze (oder Alien?) scheint aus dem Sack! Es deutet alles darauf hin, daß das, was bei dem Film auf dem Seziertisch liegt, eine raffiniert und künstlerisch wertvoll gestaltete Latex-Puppe ist. Doch nun alles der Reihe nach. Erste Zweifel gab es bei den Personen, die Zweifel überhaupt zuließen, schon recht früh. So wurde immer wieder berichtet, daß der Film interessante Details, wie z.B. Aufnahmen von US Präsident Truman, zeige oder auch die abgestürzte Untertasse in der Wüste von New Mexico. Nichts dergleichen ist zu sehen! Dann war da der ominöse Kameramann, der die Filme angeblich verkauft hat. Es hat wohl eine Person Namens Jack Barnett gegeben, der auch Kameramann war, aber er verstarb schon 1957. Als Santilli von einem französischen Fernsehsender mit dieser Tatsache konfrontiert wurde, verstrickte er sich in Namensspiele, "Barrett" anstatt "Barnett" soll der Name sein, es handle sich um eine andere Person. Zu mehr Glaubwürdigkeit trug diese Verwirrungstaktik auch nicht bei. Dann stand von Anfang an ein Gutachten von KODAK im Vordergrund, welches besagt, daß das Filmmaterial aus dem Jahr 1947 stammt. Doch was KODAK tatsächlich zur Untersuchung überlassen wurde, waren nur Schnipsel eines Films, auf dem nie Ausschnitte der Autopsie o.ä. zu sehen waren, also ein x-beliebiges Stück Film. Die "Originalrollen" erschienen Santilli einmal zu wertvoll, um diese aus der Hand zu geben, ein anderes Mal hatte er keinen Zugriff auf die Originale. Solche Beispiele ließen sich noch weiter fortsetzen.
Interessant ist, daß drei Personen, die aus der Kornkreisszene wohlbekannt sind, immer wieder in der Geschichte auftauchen: Rob Irving, Rod Dickinson und John Lundberg, Kornkreishoaxer, die teilweise noch 1995 aktiv waren. Erste Anhaltspunkte gab es, als diese drei "unbedeutenden" Gestalten immer wieder da zugegen waren, wo "hochrangige" UFO-Experten den Film in Augenschein nahmen und dort mehr die Reaktionen der Anwesenden als den Film selbst studierten. Dazu leugnet Ray Santilli vehement, nur eine dieser Personen überhaupt zu kennen. Als weitere Information sei hier gegeben, daß Lundberg und Dickinson bei einer Firma Namens "Atlas Models" in London arbeiten, die u.a. Gummipuppen für Special-Effects in Film und Fernsehen herstellen. Auch haben die beiden einen fachkundigen Artikel in dem englischen "UFO-Magazine" geschrieben, wie sich Effekte, die bei der Autopsie gezeigt werden, herstellen lassen. Das ganze war wohl ein Versuch, sich über jeden Zweifel zu erheben, denn wer wird schon aus dem Nähkästchen plaudern? Schon im Sommer ließ Rob Irving in Insiderkreisen verlauten, daß er glaube, dieser Film habe London nie verlassen! Im Oktober tauchten im Briefkasten der "Fortean Times", einem englischen Magazin für Strange-Phenomenons, Bilder von der Herstellung des Aliens auf.
Also man kann es drehen und wenden wie man will - wenn man die Sache objektiv und unvoreingenommen betrachtet und die Fakten auswertet, kommt man zu dem Schluß, daß das Ganze ein genialer Hoax ist. George Wingfield, der umfangreich recherchiert hat und seine Informationen auch im Internet zur Verfügung stellt, hat dem Alien deshalb den Namen HILDA gegeben - Hoaxed-Irving-Lundberg-Dickinson-Alien. Und eine Person kennt mit Sicherheit die gesamte Geschichte von HILDA - das ist "ihr" Agent Ray Santilli. Es ist davon auszugehen, daß er Mitinitiator der "Roswell-Autopsie" ist, auch wenn er leugnet, eine dieser o.g. Personen zu kennen und jemals zuvor von "Roswell" gehört zu haben. Auch das läßt sich offensichtlich widerlegen.
Zugegeben, ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Auf der einen Seite steckt eine phantastische Idee mit perfekter Ausführung dahinter, auf der anderen Seite wird wahrscheinlich durch die Vermarktung schon an vielen Punkten der Tatbestand des Betrugs erfüllt. Zeitlich war der Film hervorragend plaziert, "Ufologen" haben dem Film den Weg geebnet, dadurch daß große Enthüllungen zu Roswell angekündigt wurden. Was mich brennend interessiert, ist die Motivation, die bei den Machern des Streifens dahintersteckt.
Der UFO-Forschung hat der Film weder genutzt noch geschadet. Diejenigen, die das Phänomen seriös angehen, zeigten sich von Anfang an skeptisch oder ignorierten sogar den Film, diejenigen, die auf Effekthascherei aus sind, verkaufen ihren Jüngern den Film nach wie vor für echt und werden das sicher auch noch eine Weile tun. Der Film läßt sich hervorragend vermarkten. Einschlägige Szene-Magazine werden sicher noch eine Weile den Mythos aufrechterhalten, Leute beschimpfen und verdammen. Für diese Leute bin ich als Schreiber eines solchen Artikels wahrscheinlich ein Teil einer Verschwörung, bezahlt vom CIA, MOD oder dem Vatikan persönlich. Also, was soll's.
Erstveröffentlichung im FGK-Report # 1/96