von Lars Lucht
Das Kornkreisgeschehen schwappt nicht erst seit vorigem Sommer über die Ränder der Britischen Inseln hinüber auf das europäische Festland.
Herr Clemens Richter berichtete bereits im FGK-Report 2/96 über zahlreiche Kornkreise im norddeutschen Küstenland. Sein bemerkenswerter Vortrag auf der letzten FGK-Hauptversammlung in Neuhof/Fulda brachte neben wunderschönen Luftbildaufnahmen vor allem eine Erkenntnis: Vieles bleibt unentdeckt, weil niemand danach schaut. Dies legt uns vor allem die nervös machende Vermutung nahe, daß uns alljährlich ein großer (wenn nicht sogar der größte) Teil der Kornkreis-Formationen vorenthalten bleibt, weil sie einfach von niemandem entdeckt wurden. Leider müssen wir uns damit abfinden, daß Organisationen wie die FGK weder personell noch finanziell in der Lage sind, eine ganze Luftflotte zur Observation der sommerlichen Landschaften zu unterhalten.
Interessant ist immer wieder, daß sich das Komkreisgeschehen geradezu inflationär entwickelt, sobald das Potential zur Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geschaffen worden ist (siehe England). Neben engagierten Einzelpersonen und Gruppen halten hier vor allem die Medien eine Schlüsselrolle inne.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Mechanismus, wie er sich Anfang dieses Jahrzehnts in England vollzog, finden wir heute in den Niederlanden.
TV-Reports, Talk-Shows und Zeitungsberichte zum Thema Kornkreise haben Konjunktur. Damit einhergehend schießen sie wie Pilze aus dem Boden, die "Forscher", "Fachleute" und "Experten" zum Thema Kornkreise. Daß die niederländischen Medien mit dieser Thematik ausgesprochen liberal und dementsprechend unkritisch umgehen, tut sein übriges dazu. Eigentlich sollte man doch froh sein, daß die Medien unserer Nachbarn, speziell das Fernsehen als wichtigster Multiplikator, dieser Thematik einen Raum gibt, womit genau das Gegenteil von dem praktiziert wird, was im deutschen Fernsehen üblich ist: Nach anfänglicher Sensationslust wurde das Thema in Deutschland schon bald nach dem ersten medienwirksamen "Kornkreis-Skandal" (Doug & Dave) weitestgehend totgeschwiegen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Zu groß die Angst in journalistischen Kreisen, in unseriöses Fahrwasser zu geraten.
Die Holländer haben damit weniger Probleme. Eine Vorgehensweise, die zwar ein verhängnisvolles Potential in sich birgt, zumindest aber im Moment für uns einen entscheidenden Vorteil hat: Mit steigender Publizität steigen auch Interesse und Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. Und das bedeutet mehr Sichtungen, mehr Informationen, mehr Berichte.
Der Schwerpunkt der niederländischen Kornkreisszene liegt traditionell in Zeeland und Süd-Limburg, hier vor allem im Dreieck Aachen-Heerlen-Maastricht, einer Gegend, die immer wieder durch spektakuläre UFO-Sichtungen in die Schlagzeilen gerät. Erinnert sei hier auch an die sensationelle belgische UFO-Welle von 1989 rund um das benachbarte Eupen.
"Graancirkels afkomstig van buitenaards fenomeen" ("Kornkreise stammen von einem außerirdischen Phänomen"), schreibt mutig das seriöse "Limburger Dagblad" am 12. Juli 1996 und bezieht sich damit auf eine UFO-Sichtung in Zusammenhang mit einer hier später noch näher beschriebenen Formation zwischen Landgraaf und Brunssum. Aufgrund der folgenden Medienberichterstattung wurde der Ort zum Wallfahrtsort für Kornkreisneugierige.
Wie der Buchautor Willi Schillings zu berichten weiß, soll es hier bereits Bauern geben, die aus Angst vor Schäden durch Kornkreise ihre Felder auf Rüben umgestellt haben. "Engel und geistige Führer des Kosmos haben eine Botschaft für uns". "Kornkreise als Kraftfelder, eingerichtet durch die Bewohner der Plejaden, um uns verlorengegangene Kräfte wiederzubringen". "Vorbereitungen auf die großen Veränderungen, die den Menschen auf Planet Erde erwarten". So die Kornkreis-Interpretation in niederländischen UFO-Fachblättern, hier dem UFO-Nieuwsbrief Ausgabe 1/96.
Und immer wieder hört und liest man die eindeutigen Schlußfolgerungen: "So etwas kann nicht von Menschenhand geschaffen worden sein!" Gebogene und nicht geknickte Halme oder eine saubere Spiraligkeit reichen neben anderen längst revidierten Indizien im Kornkreisholland des Jahres 1997 aus, um die eindeutige "Echtheit" einer Formation zu belegen (Vorsitzender der Frontier Science Foundation Herman Hegge). Das Thema Kornkreise ist hier noch einfach: Entweder Menschen (= Fälschung) oder Außerirdische (=Original). Zwei Schubladen, fertig. Dazwischen gibt es nichts.
Wie häufig auch in England und Deutschland zu beobachten war, entstehen die ersten Forschungsgruppen, die sich mit Kornkreisen beschäftigen, meist aus anderen, bereits bestehenden Gruppen heraus. Bisher ist mir allerdings nicht bekannt, daß sich ein Landschaftsverband, Naturfreundeverein, eine Agrar- und Landwirtschaftsgesellschaft, eine philosophische oder psychologische Forschungsgemeinschaft oder auch nur ein einziger Wander- und Heimatverein mit dieser Thematik beschäftigt, geschweige denn eine eigene Gruppe zur Kornkreisproblematik entwickelt hätte. Nicht einmal religiöse oder sektiererische Gruppierungen haben es dazu gebracht. Bei näherer Betrachtung allerdings stellt man fest, daß angesichts des breiten Spektrums, das uns die Kornkreisforschung heute bietet, all diese Gruppen sehr wohl einen Anlaß finden könnten, sich mit Kornkreisen zu beschäftigen. Einschlägige Kornkreis-Forschungsgruppen aber entstehen bevorzugt aus Vereinigungen, die sich mit präastronautischen, ufologischen oder esoterischen Fragestellungen auseinandersetzen.
So auch in den Niederlanden. Exemplarisches Beispiel: Die neu gegründete STUFON (Stiching Ufo Onderzoek Nederland) mit Sitz in Heerlen. Ursprünglich ein reiner UFO-Verein, beschäftigt man sich hier inzwischen in einer eigenen Abteilung mit Kornkreisen. Die STUFON hat sich durch zahlreiche Berichte in den niederländischen Medien einen hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet.
Im Verlauf des vorigen Jahres hatte ich mehrmals Gelegenheit, mit dem Vorstand dieses Vereins zusammenzutreffen.
Das erste Mal, Ende Juli, als ich einen Anruf des Buchautors Willi Schillings erhielt, der im Rahmen der Recherchen zu seinem neuen Buch "UFO's und Götter" Kontakt mit dieser Gruppe aufgenommen hatte und mich bat, gemeinsam mit ihm und unter Leitung eines ortskundigen Vorstandsmitgliedes der STUFON einige Kornkreise im deutsch-niederländischen Grenzgebiet zu besichtigen.
Insgesamt handelte es sich hierbei um drei geographisch sehr nahe beieinander liegende Formationen, alle im näheren Umkreis der niederländischen Stadt Heerlen gelegen, die deutsche Grenzstadt Aachen nur wenige Kilometer entfernt. Auch hier hatte es in den letzten Jahren immer wieder mal Kornkreise gegeben.
Die Besichtigung des ersten "Graancirkels", wie die Kornkreise auf niederländisch heißen, führte uns in ein Weizenfeld nach Heerlen-Welten in die Nähe des Ortes Voerendaal, unweit der Autobahn 76. Es handelte sich hierbei um eine Formation mit ca. 15 Metern Gesamtdurchmesser, bestehend aus einem Kreis mit zwei Ringen.
Zum Symmetrieverständnis holländischer Kornkreismacher
am Beispiel der Formation Heerlen-Welten:
Unsymmetrischer Gesamteindruck
Foto: © 1996 Hiltrud Lucht-Cerven
Foto: © 1996 Lars Lucht, Bonn
Foto: © 1996 Lars Lucht, Bonn
Die zweite zu besichtigende Formation führte uns in ein Weizenfeld zwischen den Orten Landgraaf und Brunssum. Die dort vorgefundene Formation hatte eine Gesamtlänge von stolzen 40 Metern. Sie bestand aus drei umringten Einzelkreisen, die durch eine alles andere als gerade "Gerade" miteinander verbunden waren. Als "Bonbon" befand sich zwischen Ring und Kreis des nördlichsten Formationsteiles ein "Ei" mit fast zwei bis drei Metern Durchmesser. Diese Formation war zum Zeitpunkt unserer Begehung bereits 14 Tage alt und hatte seit ihrer Entstehung bereits einige "evolutionäre" Wandlungen erfahren. So zum Beispiel wurden einige Seitenstege angebracht und ein etwa 4 qm großer Buchstabe "M". Auch diese Formation ließ in ihrer Gesamtsymmetrie sehr zu wünschen übrig, was allerdings lediglich eine Feststellung und keine Wertung sein soll. Denn wer sagt, daß die mit ihrer Exaktheit und brillanten Symmetrie bestechenden Formationen die besseren Formationen sind? Aus dieser Formation wurden sogar Bodenproben entnommen und über die Frontier Science Foundation Dronten an ein Labor in die USA geschickt. Für besonders bemerkenswert hielt Herr van Mechelen den Zusammenhang mit der Sichtung einer "Vliegende Schotel", wie man UFOs im Holländischen nennt. Details zu dieser UFO-Sichtung, bei der es sich um ein niedrig fliegendes, sich um sich selbst drehendes Objekt mit gezacktem Rand gehandelt haben soll, werden von Herrn Willi Schillings recherchiert und in seinem nächsten Buch nachzulesen sein.
Direkt im Nachbarfeld, diesmal Gerste, befand sich der dritte zu besichtigende Kreis dieses Wochenendes, ein Kornkreis in seiner ursprünglichsten Form: Ein einfacher Kreis mit knapp 7 Metern Durchmesser. Er soll ca. 2 bis 3 Tage nach seiner Nachbarformation entstanden sein. Auch hierzu wieder eine mysteriöse Geschichte von über dem Feld fliegenden Lichtern (welcher Fälscher ist so dumm und nimmt eine Taschenlampe mit in das Feld?) und einer Begegnung mit zwei schwarzen Gestalten. Jemand aus der unmittelbar an die Felder angrenzenden Siedlung soll sie nachts im Feld bemerkt haben. Als sie angesprochen wurden, bückten sie sich und verschwanden (spurlos?). Weitere Einzelheiten sind nicht bekannt. Die hoffnungsvolle Frage, ob das Gerstenfeld ohne begehbare Traktorspuren bei der Entdeckung des Kornkreises beschädigt gewesen sei, mußte leider bejaht werden. Bei der Entdeckung des Kreises gab es bereits einen Zugangspfad. Schade drum, "das riecht nach man-made", mußte selbst Herr van Mechelen zugeben.
Das mysteriöseste an dieser holländischen Kornkreis-Tour war allerdings eine Geschichte aus der im Zusammenhang mit Kornkreisen immer wieder beliebten Serie "Pleiten, Pech und Pannen": In stundenlanger Kleinarbeit hatte ich in der sengenden Sommerhitze in Zusammenarbeit mit Herrn Schillings jede Formation sorgfältig vermessen und die Daten auf ein Diktiergerät gesprochen. Aufgrund eines technischen Defektes des Diktiergerätes waren davon am Ende nur noch Fragmente übrig. Gleiches gilt für die zahlreichen Fotografien, von denen ein Großteil verloren ging. Ob da nicht doch eine höhere Macht ihre Finger im Spiel hatte...?
Dank der Recherchen von Herrn Schillings gibt es Informationen über weitere Kornkreise in den Niederlanden:
An der A 76 auf der Höhe des Autobahnviaduktes Benzenrode (Ubachsberg/Keversberg) ein sehr sauber angelegtes Piktogramm, bestehend aus einem Kreis, über dem ein (fast)Kreuz liegt, der untere Balken fehlt (ca. 20. Juli).
Nijswiller bei Vaals, keine 10 km nordwestlich vom Stadtkern Aachen entfernt, ein einfacher Kreis von fast 10 Metern Durchmesser, in einem Weizenfeld 50 Meter rechtsseitig der N 281 Richtung Bocholtz (Anfang August).
Einfacher Kornkreis bei Nijswiller
Foto: © Willi Schillings, Langerwehe
links: Eines der Pictogramme bei Heerlen-Welten (Skizze nicht maßstabsgetreu)
© Lars Lucht, Bonn
rechts: Das gleiche Pictogramm, jedoch nach der Metamorphose
durch "Unbekannte Kräfte"
© STUFON Niederlanden
Es soll zahlreiche weitere Kornkreise in den Niederlanden gegeben haben. Leider jedoch lagen bis Redaktionsschluß keine näheren Informationen dazu vor. Sollte ein Leser dieses Artikels über solche verfügen, wende er sich bitte direkt an mich. Einige Wochen später nach meinem ersten niederländischen Kornkreis-Ausflug hatte ich dann zum ersten Mal Gelegenheit, den Verein STUFON näher kennenzulemen.
Auf einem Vortrag bekam ich neben zum Teil wirklich interessanten UFO-Amateurvideoaufnahmen die "Sensationsfunde" aus holländischen Kornkreisen zur Begutachtung:
1. Verbrannter Tierkot, der nur innerhalb einer Kornkreisformation zu finden war.
2. In einem speziellen Muster angeordnete Verbrennungsspuren an Getreidehalmen aus einer Kornkreisformation.
Mit Spannung nahm ich die mir vorgelegten Materialproben in Augenschein. Was ich dann aber enttäuscht diagnostizieren mußte, war folgendes:
1 . Tierkot in üblicher weicher Konsistenz, lediglich tief schwarz in der Farbe, wahrscheinlich durch den Verzehr von schwarzen Kirschen oder Beeren. Die Steine und Kerne des Beerenobstes sowie Fruchtfasern waren eindeutig erkennbar.
2. Bei den angeblichen Verbrennungsspuren handelte es sich um den typischen weit verbreiteten Pilzbefall (Fusarien), der durch kleine, tief in die Fasern eindringende schwarze Flecken (ähnlich Fliegenkot) sein Muster auf den Halmen hinterläßt.
Jeden weiteren Kommentar zur Qualität dieser Art von Kornkreisforschung würde ich mir an dieser Stelle lieber ersparen. Man hatte ja nicht einmal versucht, mir irgendeine getürkte oder geschickt inszenierte Echtheitsindizien für den Zusammenhang von Kornkreisen und UFOs o.ä. unterzujubeln. Offenbar hatte niemand wirklich böse Absichten. Aber zu solchen Vorfällen gehört schon eine gehörige Portion Naivität.
Armes Holland? Trotz der insgesamt relativ enttäuschenden Erfahrungen mit meinen niederländischen "Expertenkollegen" will ich hier nicht pauschal verurteilen. Blickt man zurück auf die britische oder deutsche Kornkreisgeschichte, so hat sich immer wieder gezeigt, daß man stets eine Menge zu lernen hatte. Immer wenn man glaubte, man sei einen Schritt weiter und hätte nun endlich ein Indiz oder eine Gesetzmäßigkeit, an der man sich hätte festhalten können, kam - spätestens eine Saison später - die Erkenntnis, daß eben nichts so gewiß ist wie die Ungewißheit. Ein Prozeß, der bis heute anhält und der sicher noch einige Überraschungen für die Zukunft bereithalten wird.
In Holland hat man zur Zeit das Pech, daß man sich jetzt dort befindet, wo man sich in England 1991 oder in Deutschland 1992 befand. Eben ganz am Anfang einer spannenden, aber in Euphorie und Enttäuschung auch sehr wechselhaften Geschichte.