1996 – ...und immer noch Kornkreise!

von Harald Hoos



In dem nachfolgenden Bericht möchte ich einen kurzen
Überblick über die Kornkreissaison 1996 in England geben.
Detailliertere Berichte werden sicher im Laufe der nächsten
Monate folgen.
Also: hier ein grober Überblick aus meiner Perspektive.



Das fünfte Jahr in Folge habe ich meinen Sommerurlaub in Wiltshire verbracht, um die Kornkreise zu besuchen. Dieses Jahr bin ich mit einer bunt gemischten Gruppe von zehn Personen gereist, "Alt-Kreisler", "Neu-Kreisler" und "Gar-Nicht-Kreisler" – eine interessante Mischung.

Ja, es gab auch dieses Jahr in England wieder Kornkreise. Das Phänomen lebt weiter! Doch wenn man etwas näher hinschaut, muß man auch nun wieder feststellen, daß sich die Kornkreise, wie auch die Kornkreisszene ein weiteres Mal gewandelt haben. Bei den Kreisen selbst hat sich der Stil gändert, und das Umfeld hat Veränderungen erfahren, wie ich später noch erläutern werde.

Was gab es zu sehen?
Im ganzen gab es Anfang August ca. zwei Dutzend Formationen in England, davon könnte man sechs als herausragend bezeichnen. Drei der herausragenden Formationen waren die "DNA im East Field, eine recht frühe Formation, das "Julia Set" bei Stonehenge, welches ein Fraktal, die Julia-Menge im Feld abbildet, und eine 3-armige Spirale am Fuße des Windmill Hill bei Avebury (Titelbild). Alle drei Formationen waren aus unzähligen kleinen Kreisen zusammengesetzt. Bei der 3-armigen Spirale waren es 195 Einzelkreise!
Die Machart dieser Formationen läßt m.E. auf ein und dieselbe Urheberschaft schließen. Dieser Stil existiert seit 1995 und wird der Gruppe "Wessex Sceptics" zugeordnet. Die Formationen '95 und '96, die diese Stilelemente tragen, haben mit ziemlicher Sicherheit die gleichen Verursacher. Die Formationen sind beeindruckend aus der Vogelperspektive, in den Einzelkreisen selbst lassen sich so eindeutige Merkmale für meschlichen Ursprung finden, wie z.B. "underlaying footpaths" (siehe Bild).
Es gab dann noch einige sehr perfekte und schöne Kornformationen unterschiedlichster Stilrichtung (siehe dazu Bildteil!).
Über diese beieindruckenden Formationen hinaus gab es wenig Ansehnliches: ein paar Spuren Korn, einige einfache Kreise, teilweise sehr wackelige Kreise, alles Formationen, die keine großflächigen Halmumlegungen haben. Ist man faul geworden? Oder herrscht inzwischen Angst vor dem Ertapptwerden?

"Julia Set" bei Stonehenge
Diese sehr ästhetische und beeindruckende Formation, bestehend aus 151 Einzelkreisen, hat mich doch fast an die Grenze eines Wutanfalls gebracht. Es ist wohl die Formation in der Kornkreisgeschichte, die am besten vermarktet wurde. Machen wir's kurz: Mit dem Hinweis "See Europs best Crop Cicle" (siehe Bild!) wird die Formation an der A303 bei Stonehenge angekündigt. Es wird auf einen Parkplatz hingewiesen, auf dem man sein Vehicle parken kann, um dann für £2 in die Formation gehen zu können. Davon machen auch täglich mehrere hundert Personen Gebrauch! Bevor man das Territorium wieder verläßt, kann man noch eine miserable Farbkopie für £4 erwerben. (Schade, ich habe vergessen zu fragen, ob Gruppenrabatte gewährt werden). Der Farmer wird wohl £1000 pro Tag in der Tasche haben. Wenn ich dann noch in einer Tageszeitung lese, daß der Bauer ganz wild darauf ist, die Verursacher zu fangen und auch noch Belohnungen dafür ausgesetzt werden – was soll ich dazu noch sagen? Ich bin davon überzeugt, daß der Bauer ein Abkommen mit der Hoaxer-Gruppe hat.


Das Szenario bei Stonehenge beim "Julia-Set"

   

Fotos: H.Hoos


Wie bei allen spektakulären Formationen ranken sich natürlch auch schon einige Geschichten um das Kornkreisgebilde. Ein Pilot hat angeblich das Feld von Thruxton aus überflogen, es war nichts zu sehen. Nachdem er ca 10 Minuten später zurückflog, war die Formation vollendet. Aber wie ich schon so oft ausgeführt habe: ein Beweis wird hier nicht verlangt. Es gibt auch die Behauptung, das Pictogramm wäre bei Tageslicht von acht Personen angelegt worden. Derjenige, der das gesehen haben will, wird es schon schwer haben: Beweise werden verlangt!
Das "Julia Set" war eine faszinierende Formation, nur zu schade, daß diese von tausenden Personen zertampelt wurde. Vor allem: Wenn man in der Formation steht, erkennt man rein gar nichts von derer Großartigkeit!

Abends im Pub...
Nach wie vor ist das "Barge Inn" in Alton Barnes der Treffpunkt der "Croppie-Szene". Aber es ist bei weitem nicht mehr so viel los, wie in den vergangenen Jahren. Wie ich schon öfter erläutert habe, hat sich eine gewisse Frustration breit gemacht. Es sind daraus resultierend schwerpunktmäßig zwei Gruppen übrig geblieben: Die absoluten Hardliner und die, die den Wandel der Zeit mitgehen konnten, und nicht das Phänomen kategorisch versuchen, in "echte" und "falsche" Kreise einzuteilen. Doch im ganzen wirkt die Kornkreisgemeinde müde!


Die "Kornkreispinnwand" im Barge Inn
Foto: H. Hoos


Die "Kornkreispinwand" im Hinterzimmer des "Barge Inn" ist nach wie vor übersäht mit Notizen, Skizzen, Bildern, Visitenkarten, doch finden sich auch immer mehr verzweifelte Vermarktungsversuche einzelner Personen, die irgendwie irgendwas zu Geld machen wollen. Videos und Bücher werden angeboten, der eine versucht das zu verkaufen, was ein anderer schon mal erfolgreich unters Volk gebracht hat. Das klappt natürlich nicht so ganz.

Was hat die FGK 1996 getan?
1996 ist wieder ein Projekt der FGK in England durchgeführt worden, das Projekt "GAMMA". Das Projekt steht nicht im direkten Zusammenhang mit den Kornkreisen, kann aber der Kornkreisforschung durch die dafür entwickelten Meßeinrichtungen sicher noch nützlich sein. Auf das Projekt selbst möchte ich hier nicht eingehen, Sascha Jakoblew hat dazu einen ausführlichen Bericht verfaßt. Nur soviel: bei aller Ernsthaftigkeit: Das Projekt hat mit dem Ein- und Ausgraben der Meßapparatur jede Menge Spaß bereitet!.

Was bleibt zu tun?
Immer noch bleiben um die Kornkreise einige ungeklärte Erscheinungen. Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, daß immer wieder Meldungen über radioaktive Anomalien oder Magnetfeldveränderungen in Kornkreisen auftauchen. Es bleibt hier zu klären, ob nur der Wunsch einiger Forscher zum Ausdruck kommt oder ob es eine reale Erscheinung ist. Interessant dabei ist, daß über solche Anomalien auch bei nachweislich "falschen" Kornkreisen berichtet wurde. Da setzt auch ein Projektvorschlag an, den ich in der Herbsthauptversammlung der FGK zur Sprache bringen werde und bei dem die Meßeinrichtungen des Projekt "GAMMA" ein weiteres Einsatzgebiet finden können: Ich möchte die Frage geklärt wissen, ob es diese Abweichungen überhaupt gibt und wenn ja, wie diese entstehen können.
Und genau in diesem Schema lassen sich mit Sicherheit weitere interessante Untersuchungen anstellen.
Eine weitere wichtige Aufgabe sehe ich für die FGK nach wie vor darin, als kritsche Instanz über das Phänomen zu berichten, dieses zu dokumentieren und vor allem auch hinter die Kulissen zu schauen. Vieles läßt sich nicht im Feld erforschen, sondern verlangt das Studium der Strukturen um die Kornkreise und deren Zusammenhänge. Hierbei sind wir wieder bei den psychologischen und soziologischen Aspekten der Kornformationen, die immer noch ein weites Forschungsfeld darstellen.

Eine persönliche Bilanz
Das Jahr 1996 wird aller Voraussicht nach das Jahr sein, an dem ich das letzte Mal zwei Wochen im Sommer am Stück in dem Gebiet um Alton Barnes verweilt habe. Das heißt nicht, daß ich mich aus der Szene zurückziehe, die Gegend nicht mehr besuchen werde oder gar meine Arbeit um die Kornkreise herum aufgebe. Das heißt nur, daß mir die Szene z. Zt. nichts Neues gibt. Ich habe verdammt noch mal keine Lust mehr, über "bend but not broken"-Halme zu diskutieren und mir anzuhören, daß es wohl keine "echtere" Formation gibt, als die, von der schon die halbe Welt weiß, wer sie gemacht hat. Auch wenn es sich vielleicht jetzt ein wenig so anhört: Ich bin nicht frustriert, ich trete nur einen Schritt zurück und stelle diesen Schritt unter das Motto: leben und leben lassen. Wenn jemand nicht hören will, was ich weiß, keinen tatsächlichen Beweis gelten läßt, möchte ich auch nicht hören, was er mir klarzumachen versucht.


underlaying footpath in der "3-armigen Spirale"
Foto: H.Hoos


Ich glaube für mich, das Phänomen der Kornkreise verstanden zu haben. Mit Bedauern muß ich feststellen, daß sich immer mehr eine Art Sekte der "Kreisisten" bildet. Und jedes Sektierertum ist für mich suspekt und menschenfeindlich. Daran möchte ich nicht teilhaben und werde mein Möglichstes tun, um die FGK aus diesem Sog herauszuhalten.


Einzelkreis der "3-armigen Spirale" am Windmill Hill
Foto: H.Hoos


Auf meine Arbeit in der FGK wird sich das wohl nicht merkbar auswirken. Ich habe immer noch sehr viel Spaß an dieser Arbeit, obwohl ich mir manchmal wie auf verlorenem Posten vorkomme, aber alles in allem sehe ich immer noch einen Sinn und Zweck in der Institution FGK und werde mich engagieren.
Die FGK sollte es so lange als kritische Instanz geben, solange es die Kornkreise gibt!



Erstveröffentlichung im FGK-Report # 3/96


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