von Peter Kleinferchner / Ulrike Kutzer
Prompt zum absehbaren Ende der diesjährigen Kornkreissaison, wurde Englands Kornkreislandschaft mit einem Sahnehäubchen ganz besonderer Art gekrönt:
Am Abend des 11. August führte man im Barge Inn, dem Szene-Pub Wiltshires in der Nähe von Alton Barnes eine Videosequenz von etwa 20 Sekunden vor, die das Entstehen einer Kreisformation, genannt "Snowflake", zeigte.
Die "Snowflake"-Formation, deren Entstehen gefilmt worden sein soll.
Foto: Ralf Selsam
Die Sensation war perfekt. Endlich war das geschehen, was sich jeder Kornkreisgläubige schon immer gewünscht und weswegen er sich manch eine Nacht auf Wiltshires eindrucksvoller Hügellandschaft um die Ohren geschlagen hatte: Der authentische Videomitschnitt und der damit scheinbar unzweifelhaft erbrachte Nachweis über die Entstehung eines Kornkreismusters, das, wie man sah, nicht von Menschen gemacht sein konnte. Diese Filmsequenz würde hoffentlich endlich alle Skeptiker und Hoax-Gläubige zum Schweigen bringen und die Welt der Kornkreise wieder gerade rücken.
Doch bevor die Euphorie gänzlich über die Stränge schlägt, zu den Fakten. Was war geschehen?
In der feuchten und eher ungemütlichen Nacht vom 10. auf den 11. August 1996 kampierte ein junger Student auf der Anhöhe von Olivers Castle, in der Nähe von Devizes. Angeblich geweckt durch ungewöhnliche Geräusche aus einem unterhalb dem Hügel liegenden Feld, sah der Camper - so seine Aussage - Lichtkugeln, die auf der Höhe dieses Feldes umhertanzten und kurz darauf verschwanden. Unbeirrt vom Verschwinden der Lichter und offenbar im Bewußtsein, welch geschichtsträchtigen Ereignisses er da Zeuge werden sollte, stellte er schnell sein Stativ bereit, montierte seine Videokamera darauf, zoomte sie ein auf das Feld der vorherigen Lichterscheinungen und wurde mit seinen Aufbauarbeiten genau rechtzeitig fertig, um das Wiedererscheinen der Leuchtkugeln mit seiner Videokamera festzuhalten. In den darauffolgenden 20 Sekunden des Videomaterials ist zu sehen, wie 2 Lichter über dem Feld einfliegen, es umkreisen und nach hinten oben wieder aus dem Bild verschwinden. Kurze Zeit später tauchen die Lichter erneut auf und kreisen nochmals über dem Feld. Gleichzeitig dazu entsteht innerhalb von wenigen Sekunden ein Zentralkreis mit 6 symmetrisch angeordneten Satelliten, die wiederum in Staffelung insgesamt 12 kleinere Satellitenkreise aufweisen. Alle Satelliten sind mit dem Zentralkreis durch dünne Stege verbunden, deren 10tel-sekundenschnelle Entstehung ebenfalls auf der Videoaufnahme zu sehen ist.
Die Größe der Lichter wird auf 90cm-115cm geschätzt. Die Lichter sollen sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 130-150km/h bewegt haben.
Der Durchmesser des Zentralkreises liegt bei etwa 25m, die Stege sind ca. 13m lang, und die größeren Satelliten haben eine Größe von etwa 9m.
Bei einer genaueren Analyse des Videobandes ergibt sich folgendes Bild:
Für die Echtheit der Aufnahme spricht, daß die Sequenz in sich schlüssig und proportional angemessen wie eine tatsächlich gefilmte Videoaufzeichnung wirkt. Insbesondere auch deshalb, weil sich die Lichtbälle harmonisch zwischen der Landschaft im Bildhintergrund und dem Objektiv als nahestem Punkt zum Betrachter bewegen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das sich im Bildvordergrund natürlich bewegende Gras (d.h. der Bewegungsablauf ist nicht unterbrochen).
Vergleicht man weiter die Lichtverhältnisse vor und nach der Kreisentstehung, so erkennt man, daß diese den realen Lichtverhältnissen einer Morgendämmerung entsprechen.
Des weiteren erscheint der Zeitraum zwischen Aufzeichnung und Zeigen des Bandes in der Öffentlichkeit zu knapp bemessen, als daß die Aufnahme eine Fälschung sein könnte. Der Film wurde den Anwesenden des Barge Inn noch am gleichen Abend vorgeführt.
Den genannten Pro-Argumenten stehen jedoch folgende Unstimmigkeiten und Erklärungsmöglichkeiten entgegen:
Das Verhalten des Kameramannes erscheint höchst verwunderlich. Abgesehen von seiner kaltblütigen Geistesgegenwart angesichts der Leuchtkugeln über dem Feld, unbeirrt Stativ und Kamera aufzubauen und aufnahmebereit zu machen, muß man sich fragen, woher er die korrekte Fokus- und Zoomeinstellung kannte, die er während der gesamten Sequenz nicht korrigieren mußte! Autofocus scheidet als Erklärung aus, da die Lichtverhältnisse zu dun-
kel waren.
Ungewöhnlich erscheint auch, daß die Kamera während der Dauer der Einstellung unverändert bleibt und den verschwindenden Lichtkugeln nicht folgt. Eine normale menschliche Reaktion wäre gewesen, die Flugbahnen der Leuchtobjekte - egal mit welcher Qualität festzuhalten.
Untersucht man den Film im Einzelbild, so zeigen sich keine Lichtfahnen/Leuchtspuren hinter den sich bewegenden Leuchtkugeln, wie es eigentlich zu erwarten wäre.
von l. o. nach u. r.:
Ausschnitte aus dem Video zeigen das Entstehen der "Snowflake"-Formation. Mit den Pfeilen sind die Lichtkugeln gekennzeichnet. Die Formation selbst taucht als Ganzes allmählich auf.
(Bildaufbereitung mit freundlicher Unterstützung von Mike Ellrich)
Die erscheinende Formation wirkt "aufgezogen", d. h. sie taucht, wie zeilenweise in den Bildhintergrund hineingeschoben, auf. Die Formation entsteht als Ganzes und nicht in ihren Teilen. Das verwendete Bildverarbeitungssystem, das unserer Meinung nach hinter der Entstehung der Formation steht, hat eher Amateurniveau, oder die Macher sind noch nicht in der Lage, das System richtig einzusetzen. Mit Hilfe der sogenannten "Morphing-Technik" ist es heute ohne Schwierigkeiten machbar, die gesamte Formation langsam in den Bildausschnitt einzuarbeiten, ohne auch nur einen Hauch von Synthetik aufkommen zu lassen, so daß auch das sich natürlich bewegende Gras am vorderen Bildrand keinerlei Problem mehr darstellt und als Pro-Argument wegfällt.
Paul Vigay, eine bekannte, wenn auch nicht unumstrittene Größe in der Kornkreisszene, hat bereits den Nachweis dafür erbracht, daß sich eine vergleichbare Videosequenz innerhalb von 5 Stunden ohne Schwierigkeit erstellen läßt (s. dazu auch Internet, Crop Circle Connector).
Durch diesen Umstand verkehrt sich auch das Argument, daß die Zeit zwischen der Aufzeichnung des Geschehens und dem öffentlichen Bekanntmachen des Inhalts am gleichen Tag zu kurz sei, um eine Fälschung zu erstellen, völlig in sein Gegenteil. Im Grunde muß man sich fragen, wo das Band über den Zeitraum von mehr als 12 Stunden verblieben ist und warum der Kameramann nicht gleich am Morgen Kornkreisexperten aufsuchte.
Doch auch ohne Zuhilfenahme des Morphing-Verfahrens ist mit einfacher und gut bekannter Überblendtechnik das künstliche Erstellen der vorhandenen Aufnahmen innerhalb des gegebenen Zeitrahmens ohne größere Probleme technisch möglich.
Außer dem Namen John Whitleigh ist über die Person des Kameramannes nichts bekannt. Er bleibt eine anonyme Größe und entzieht sich jeder näheren Befragung über die genauen Umstände der Ereignisse.
So trägt letztlich auch dieser Punkt zum Zweifel an der Echtheit des Ereignisses bei. Sollten diejenigen, die im Besitz der Videosequenz sind, allen voran Peter Sørensen, wirklich daran interessiert sein, die Echtheit des Films beweisen zu wollen, so muß zuallererst die Identität des Kameramannes und Zeugen des nächtlichen Ereignisses auf den Tisch. Sonst haben wir es, ähnlich wie bei beim Rosswell-Film, wieder nur mit dubiosen Machenschaften zu tun, die alles wenig glaubwürdig erscheinen lassen und nur der Spekulation Vorschub leisten.
Vergleicht man das vorliegende Material mit den technischen Möglichkeiten, die tatsächlich bestehen (siehe den Film DRAGON-HEART), so kann man sich nur wünschen, daß niemand auf die Idee kommt bzw. in der Lage ist, einen Film mit diesen Mitteln herzustellen. Denn dann wäre der Nachweis 'echt oder falsch' nur noch schwer zu führen.
Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt angekommen: Auch durch diese Videosequenz werden sich die Verhältnisse in der Kornkreisszene nicht ändern. Die Gläubigen werden ihn als Nachweis sehen und die Skeptiker werden ihn als Beweis nicht gelten lassen. Alles beim Alten, also in der Kornkreiswelt!