Die Zahlenmystik der Kornkreise

Oder: Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast

von Markus Schröder



Herr Schröder geht bei seinen Ausführungen, die sich
im Schwerpunkt auf die Ausarbeitungen von Jens Rowold
beziehen (Klassifikations-Schema für Kornkreise),
mit mathematischen Auswertungen der Kornkreise ins Gericht.



In letzter Zeit wird es scheinbar immer beliebter, die Kornkreise mittels mathematischer Berechnungen aus dem mehr oder weniger esoterischen Bereich erläutern zu wollen. Bekannt sind in diesem Zusammenhang die Aufschlüsselungen zur prähistorischen Mathematik der geschätzten Herren Seurig und Baumann, die mit viel Mühe und Arbeit ihren Forschungen nachgegangen sind.[1] Im FGK-Report 4/96 stellte uns Jens Rowold nun seine Chakren-Theorie vor.[2] Beide genannten Theorien haben aber einen Faktor außer acht gelassen, der die aufgestellten Hypothesen in Frage stellt, nämlich die Zufälligkeit der Zuordnung zu den Kornkreisen.
Die Autoren beider Artikel stellen eine Arbeitsthese auf, für die im Nachhinein Beweise gefunden werden sollen, was auch problemlos möglich ist, denn aus den mehr als tausend englischen Kornkreisen der letzten Jahre wird sich in irgendeiner Form jede mögliche Zahl extrahieren lassen. Alleine die Anzahl der Kreise läßt neben einer Vielzahl höherer Werte jede beliebige Zahl zwischen 1 und 20 zu, und sollte dies nicht ausreichen, wird sich irgendwo bestimmt ein Kreisradius, ein Kreisdurchmesser oder eine Entfernung zur nächstgelegenen Kultstätte finden lassen, um die Beweisführung zu erhärten. Problematisch ist hierbei, daß die Theorien nur so lange haltbar sind, wie sie mit den Beispielen verglichen werden. Sobald versucht wird, diese Theorien auf andere Formationen zu übertragen, ist ein Scheitern unausweichlich.

Da die akribische Arbeit der Herren Seurig und Baumann sehr komplex ist, wird eine Dekonstruktion der These zu viel Platz einnehmen.[3] Ich beschränke mich also auf die These von Herrn Rowold, um zu zeigen, wie Zahlenspiele mit Kornkreisen beliebig manipulierbar sind.

Der These von Herrn Rowold wird schon dadurch die Glaubwürdigkeit entzogen, daß er auf der einen Seite von einer Wirbelsumme spricht , aber immer nur mit den halben Werten, nämlich der Anzahl der Unterwirbel, operiert. Sobald diese Zahl nicht erreicht wird, wird die Hara-Linie zum fehlenden Kreis: "Der dreizehnte Kreis ist dann wieder die Hara-Linie" . Wenn selbst diese Definition nicht ausreicht, wird eben ge rundet:"Wenn man wieder den zentralen Kreis als Hara-Linie ansieht, so ist man nur um eins am gewünschten Ergebnis von 192 vorbei". Knapp daneben ist auch vorbei, und eine Berechnung, die trotz 'Schummeln' noch vom gewünschten Ergebnis abweicht, kann wohl kaum als Beweis dienen.

Sehen wir uns doch einmal eine Formation genauer an, beispielsweise die vom Milk Hill bei Avebury, die hier als Skizze vorliegt.[4]


Wie man sieht, ist alles nur eine Interpretationsfrage. Machen wir die Gegenprobe: Wie ist die Julia-Formation[5] mit ihren 35 Kreisen zu deuten? Dafür muß gewaltig konstruiert werden, beispielsweise durch zehn Hauptkreise (drittes Chakra), 24 Nebenkreisen (doppeltes viertes Chakra) und Hara-Linie (10+24+1=35). Mit allen Satelliten hat die Formation aber 151 Elemente: ein drittes, viertes, sechstes und doppeltes fünftes Chakra mit Hara-Linie (10+12+96+32+1=151), eine olympiareife Leistung!

Diese Darstellung ist natürlich stark vereinfacht und bewußt überzogen, aber die Masse der Gegenbeispiele für Herrn Rowolds These sind erdrückend. Aufgrund des beschränkten Raumes sind nicht alle aufzeigbar, nachzulesen und anzuschauen sind sie jedoch alle im Internet unter dem Crop Circle Connector. Zu den unpassenden Formationen gehören u.a.: Girton (undefinierbare Form), East Oakley I (drei Elemente), Devizes (acht Kreise), Goodworth Clatford (fünfblättrige Blüte), East Field Double Helix (89 Kreise!), East Oakley II (Pictograph), East Ilsley (einfacher Kreis), etc. pp. Die Erklärung, daß alle Kreise, die nicht in das Schema passen würden, Fälschungen seien, ist natürlich ebenso umkehrbar. Vielleicht sind ja die wenigen Ausnahmen, auf die das Schema zutrifft, Fälschungen? In dem Chakra-Schema werden hauptsächlich Zahlen benutzt, die in der Geometrie zu symmetrischen und daher leichter mittels einer Achse herzustellenden Figuren führen, was die Arbeit für Fälscher erheblich erleichtert. Gleiches gilt für die Zwölferteilung bei den Herren Seurig und Baumann.

Mir ist allerdings nicht klar, warum die Zahlenmystiker auf exotische Kulte indischen, ägyptischen oder assyrischen Ursprungs zurückgreifen müssen, um ihre Überlegungen theoretisch zu untermauern. Ein bei uns einflußreicher Kult aus dem Nahen Osten, genannt Christentum, gibt doch Material genug für diese Rechenexempel. "Der Kreis ist der ausgedehnte Punkt, ein Bild des Vollkommenen und in sich Gleichen. Die Mitte ist der Vater des Kreises (Plotin). Das kann man auch in bezug auf Gott und seine Schöpfung verstehen." [6] Betrachten wir die Kreise genauer, sind die Bezüge zur Bibel ebenso schnell zu erhalten wie zu den anderen kultischen Zahlenspielereien: Folgend sind die Anzahl der Kreise (nur einstellige Werte), das Auftreten der Formation in diesem Jahr mit Ort und Datum und die christliche Symbolik mit passender Bibelstelle genannt. Aus Platzgründen werden jeweils nur eine Formation und nicht mehr als drei Bibelstellen enwähnt, die Symbolik bezieht sich durchweg auf Gerd Heinz-Mohrs Lexikon der Symbolik, das Wordsworth Dictionary of Phrase & Fable und Chambers' Bible Quotations, um Nachprüfungen zu erleichtern.[7]


1. Cherhill (21. Juni): Eins ist das Symbol der Einheit, im Monotheismus natürlich die Zahl des einen, wahren Gottes (5. Mose 6,4).

2. Ropley Dean (2. Juli): Der Dualismus zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel. Zwei ist die Mehrheit und damit erste wirkliche Zahl. Jesus speist mit zwei Fischen die Viertausend (Mt. 15,17). Zwei Tiere jeder Art kommen in die Arche (1. Mose 7,9).

3. Endery (später Juli): Die Zahl der Seele und natürlich die der Dreieinigkeit. Es wird der dreimal heilige Gott angerufen (Jes. 6,3), es gibt drei theologische Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung), drei ist das Symbol des himmlischen Reiches, der Vollkommenheit und Vollendung. Auch die Römer und Griechen als mythologische Vorläufer des Christentums sehen drei als die vollkommene Götterzahl an: Jupiter / Zeus (Himmel), Neptun / Poseidon (Meer, mit Dreizack) und Pluto / Hades (Hölle, mit dreiköpfigem Hund) sind die führenden Götter.

4. Calthorpe (25. Juli): Zahl des irdischen Reiches, der Paradiesflüsse (1. Mose 2,10 ff), der Kardinaltugenden, Evangelisten und großen Propheten, viereckig ist die Form des himmlischen Jerusalem (Offb. Joh. 21,16) und es gibt vier apokalyptische Reiter (Offb. Joh. 4,7).

5. Kingsclere (4. Juli): Zahl der Bücher Mose, der Steine, die David gegen Goliath aufsammelte (1. Sam 17,40), der Brote, mit denen Jesus die Viertausend speiste (Matth. 15,17)

6. Bayston Hill (23. Juni): Sechs Schöpfungstage, Zahl der über menschlichen Kraft, Werke der Barmherzigkeit (Mt. 25,35 f).

7. Kings Langley (1. Juli): heilige Zahl: Gott und Welt (drei plus vier), wichtige Rolle in der Offb. Joh. (sieben Gemeinden, Schalen mit göttlichem Zorn, Posaunen, das Buch mit sieben Siegeln und ein siebenköpfiges Monster), sieben Bitten des Vater unser.

8. Devizes (1.Juni): Seligpreisungen (Mt. 5,3-10), frühe Taufbecken achteckig, bezeichnen achten Schöpfungstag, d.h. Auferstehung Christi.

9. Asbury (14. August): heilige Zahl (dreifache Dreieinigkeit), 99 Symbol für "Amen" nach der Zählung der griechischen Buchstaben (1+40+8+50), neun wichtig bei Regierungs-, Kriegs- und Belagerungsdauern (2. Kön. 17,16 und 25,1), Tod Jesu in der neunten Tagesstunde (Mt. 27,49).


Was hat nun beispielsweise die christliche Symbolik der Zahl sechs zu bedeuten, wenn sie auf die Kornkreise angewandt wird? Genaugenommen nichts, und das ist genausoviel wie die Bedeutung des zweiten Chakras für das Problem. Es kommt immer auf die Interpretation einer These an, und solange diese dazu führt, daß man positiv lebt und seine Mitmenschen achtet, ist nichts dagegen einzuwenden, so konstruiert die Begründung der Vermutung auch sein mag. Die Zahlenspielerei als Lösung für die Bedeutung komplexer Kornkreisformationen anzubieten, halte ich allerdings für gewagt, denn, wie gezeigt, sind die Thesen immer nur für eine sehr begrenzte Auswahl an Formationen haltbar, und der Umkehrschluß, daß Fälscher von diesen Thesen ausgehend ihre Kornkreise angelegt haben, erscheint mir logischer als das Gegenteil.

Was mir an der These vor allem fehlt, ist eine Begründung. Warum manifestiert sich die Symbolik eines indischen Kultes in England? Daß Großbritannien die Kolonialmacht in Indien war, kann wohl kaum als Grund ausreichend sein, zudem geht Herr Rowold in seinem Artikel mit keinem Wort darauf ein, was uns diese Chakras sagen wollen, beziehungsweise was sie bewirken sollen. Die Übereinstimmung der Zahlen ist klar und bei der Menge an Kornkreisen kaum zu verhindern, nur das alleine ist kein Beweis. Mein Fahrrad hat 96 Speichen in den kreisrunden Felgen, deshalb ist es noch lange kein Energiepunkt, der dem sechsten Chakra gleicht.



[1] Seurig, Max und Wemer Baumann. "Prähistorische Mathematik und Kornkreisformation: Der sogenannte 'Kometeneinschlag'.'' FGK-Report 1/96, S.4-7.

[2] Rowold, Jens."Ein neues Klassifikations-Schema für Kornkreise" , FGK-Report 4/96, S. 8-10.

[3] Ein Kritikansatz könnte sein, daß in der Berechnung zwölf Kreise herangezogen werden, obwohl die Formation aus dreizehn Kreisen besteht. Zudem wird die Begründung der Zwölferteilung in sieben und fünf weder von Gerd Heinz-Mohrs Lexikon der Svmbolik noch von dem Wordsworth Dictionary of Phrase & Fable unterstützt. Zwölf und Sieben als konstruierte herausragende Zahlen lassen natürlich Zahlenspiele mit dem Vielfachen von sieben und zwölf und ihren Verbindungen in fast unendlichen Spielarten zu, was aber nur logische Verknüpfungen und keine Beweise darstellt.

[4] http://alpha.mic.dundee.ac.uk/ft/crop_circles/1996/milk96.html Crop Circle Connector, 5. September 1996.

[5] http://alpha.mic.dundee.ac.uk/ft/crop_circles/1996/stone96.html Crop Circle Connector, 5. September 1996.

[6] Heinz-Mohr, Gerd. Lexikon der Symbolik. Freiburg: Herder, 1991. S. 176.

[7] Wordsworth Dictionary of Phrase & Fable. Ed u. Rev. Ivor H. Evans. Ware: Wordsworth, 1996;
Manser, Martin H., ed. Chambers' Bible Quotations. Edinburgh: Chambers, 1989.



Erstveröffentlichung im FGK-Report # 1/97


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